Autor(en) / Quelle(n): Henryk Hielscher / WirtschaftsWoche
Seit 2018 taumelt der Autozulieferer Borgers von einer Krise in die nächste. Nun hat das Management Insolvenz für die Kerngesellschaften der Gruppe angemeldet. Es wird nicht die einzige Pleite in der Branche bleiben.
Was würde wohl Johann Borgers dazu sagen? Vor dem Stammsitz des Autozulieferers Borgers im westfälischen Bocholt zeigt eine kleine Skulptur den Unternehmensgründer, der schon vor mehr als 150 Jahren Pferdekutschen mit Polsterwatte ausrüstete. Die Firma hat Weltwirtschaftskrise, Hyperinflation und zwei Weltkriege überstanden und sich nach und nach als einer der großen Produzenten von textilen Verkleidungen und Dämpfungen für die Autoindustrie etabliert.
Wer etwa im Golf 8 sitzt, dessen Füße ruhen auf einem Borgers-Produkt: Zehntausende ‚Bodengruppen' für den Golf stellen sie jedes Jahr in Bocholt her. Der Name Borgers galt in der Branche lange Zeit als Inbegriff für Isolations-, Dämpfungs- und Dekorverkleidungen für alle Fahrzeuggattungen – von Kleinwagen bis zum schweren Lkw. Doch seit ein paar Jahren geht es abwärts. Am Montag musste das Management schließlich die Reißleine ziehen.
Nach Informationen der WirtschaftsWoche wurde beim Amtsgericht Bielefeld für die Borgers SE & Co. KGaA als Holdinggesellschaft sowie für Tochterunternehmen wie Borgers Süd und Johann Borgers Insolvenzantrag gestellt. Das geht aus Gerichtsveröffentlichungen hervor. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde demnach der Düsseldorfer Jurist und Sanierungsexperte Frank Kebekus bestellt, der unter anderem bei der Schutzschirminsolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof im Einsatz war.
Bei Borgers muss er zunächst dafür sorgen, den Geschäftsbetrieb des weit verzweigten Konzerns am Laufen zu halten, um so Anschlussinsolvenzen weiterer Töchter zu verhindern. Insgesamt arbeiten mehr als 6000 Mitarbeiter in der Gruppe, die 2020 rund 660 Millionen Euro Umsatz erzielt hat und neben dem Hauptsitz in Bocholt auch in Belgien, England, China, Schweden, Spanien, der Schweiz, der Tschechischen Republik und den USA präsent ist.
Laut dem jüngsten verfügbaren Jahresabschluss verbuchte die Gruppe 2020 einen Fehlbetrag von rund 96,8 Millionen Euro. Die Finanzierung der Borgers-Gruppe erfolgte zuletzt im Wesentlichen über einen Konsortialkredit in Höhe von 276,1 Millionen Euro sowie durch einen Covid-Betriebsmittelkredit über 100 Millionen Euro, der durch Bürgschaften des Bundes, des Landes Nordrhein-Westfalen sowie des Freistaates Bayern abgesichert und später offenbar an eine Finanzierungsgesellschaft übertragen wurde.
Luft für zusätzliche Darlehen bestanden schon damals nicht, 2020 hatte die Gesellschaft „sämtliche wesentlichen Aktiva“ für die Finanzverbindlichkeiten der Gruppe verpfändet. Die Banken gehören denn auch zu den zentralen Playern in dem Verfahren, ebenso wie Warenkreditversicherer, Arbeitnehmervertreter sowie die Autohersteller, allen voran Volkswagen. Insbesondere über die Lastenverteilung zwischen den Banken und VW soll es zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen sein, heißt es hinter den Kulissen. Eskaliert der Streit weiter, hätte dies womöglich Folgen für die Produktionsabläufe bei Borgers-Kunden.
Dabei sind alle Beteiligten seit Jahren mit den Problemen bei Borgers vertraut. So ist im Jahresabschluss die Rede von einer seit dem Geschäftsjahr 2018 „anhaltenden angespannten wirtschaftlichen Situation des Konzerns“.
Ist die Borgers-Insolvenz erst der Anfang?
Zunächst machte der Preisdruck dem Unternehmen zu schaffen, die Lohnkosten im Ausland stiegen, neue Werke kämpften mit Anlaufproblemen. Weil Mitarbeiter, Banken und Kunden zu Zugeständnissen bereit waren, ging es weiter. Die Kosten wurden gesenkt, Standorte geschlossen, in neue Technik investiert. Auch die Coronakrise und Abrufstopps der Hersteller infolge des Chipmangels überstand das Unternehmen. Die Sanierungsfähigkeit der Borgers Gruppe wurde von Beratern von Roland Berger zuletzt Ende Juli 2021 positiv bestätigt. Weihnachten 2021 stand es zwar „Spitz auf Knopf“, wie es damals ein Unternehmenskenner formulierte. Doch nach harten Verhandlungen ließen sich VW und andere Großkunden auf Zugeständnisse ein. Im Gegenzug sollte ein Verkaufsprozess für Borgers Fahrt aufnehmen.
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